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Das kalte Büffet der Perlons

Das kalte Büffet der Perlons

 

epd / Kirche und Rundfunk v. 1. 8. 84

“Jammerschade ist es, bei diesem Hörspiel alleine vor dem Radio zu sitzen, diesen Frauen zuzuhören, die ironisch-getragen im Chor Schlager der 50er Jahre singen, die erzählen, sich schieflachen und so viel geballte Komik, so viel Vitalität verbreiten, daß ein passiver Hörer in seiner Isolation ganz zappelig wird.  Diese »Perlons«, zwölf Frauen zwischen dreißig und vierzig, singen zum eigenen Vergnügen (und häufig auch zum Vergnügen anderer in Kneipen und auf Festen) Schlager, mit denen sie aufgewachsen sind - ohne den Anspruch professioneller Perfektion, dafür mit umso mehr Spaß an der Persiflage.  Bei einem ihrer wöchentlichen Treffen nun wurde die Idee ausgebrütet, den Zustand der Männerlosigkeit zu durchbrechen, fremde Männer anzusprechen und zum kalten Buffet einzuladen.  Eine Idee, deren Genese und Realisierung einige der »Perlons« in Korns Hörspiel  ausgiebig beschreiben - ach was »beschreiben«: die Frauen sprudeln, elektrisieren; sie erzählen, oft haltlos vor Lachen, sich selbst parodierend und mit einer Offenheit, die unbefangen und hochsensibel zugleich ist.  Sie erzählen von ihren Erfahrungen mit der Umkehrung üblichen Rollenverhaltens. »Wir haben die Sau rausgelassen«, »wir waren so ordinär und gemein, daß ich öffentlich nicht dazu stehen könnte« - so fing es an, so zog es sich monatelang hin, das Ausspinnen der Phantasien, wo man welche Art von Männern kennenlernen könnte.  »Wie Männer am Biertisch« kamen sich die »Perlons« vor, und »die Backen taten jedesmal weh vom Lachen«, bis die Phase des genüßlichen Phantasierens von einigen beendet wurde, die auf Taten drängten und ein Datum festsetzten. Perlons2Auf einmal ist von »blöden Bouletten« die Rede, die fürs kalte Buffet gebraten werden müssen, von dem Wunsch, »meinen schönen Sonntag lieber im Bett zu verbringen«, anstatt einen wildfremden Kerl anzusprechen.  »Heute mußte ich dieses entsetzliche Bedürfnis haben...« sagt eine der »Perlons«, die, wie alle anderen, nur unter allergrößter Selbstüberwindung von Café zu Café (oder auf den Flohmarkt) zieht, um einen Mann »abzustauben«.  »Zwei Stunden haste Angst, äh, Zeit, 'nen Mann zu finden« - dieser Versprecher kennzeichnet das Gefühl, mit dem alle »Perlons« auf Männersuche gingen.  Trotzdem gab es auch die Erfahrung des »Jagdinstinkts«, der »Spannung zwischen mir und vielen Männern«, die natürlich genau und anders als sonst von Frauen betrachtet werden mußten.  Auch blieb, neben der Angst, doch der Anspruch, nicht auf irgendeinen zuzugehen - er sollte schon gefallen ( »wenn der kommt, sagte ich mir, haste'n guten Fang gemacht« ).  Doch ist es unmöglich, die kuriosen Situationen und vor allem den Charme, mit dem sie erzählt werden, wiederzugeben.  Kein Wunder (man ahnte es sowieso schon nach den ersten Minuten), daß »Das kalte Buffet der Perlons« für alle Beteiligten ein großes Vergnügen war.  »Es war so'n Knistern in der Wohnung«, obwohl »die Männer sich erst mal so'n bißchen zusammengetan haben«.  Aber das löste sich schnell auf, die »Perlons« sangen, die Männer revanchierten sich nach kurzer Probe, es wurde getanzt und geredet; einige Männer hinterließen Dankeszettel in der Wohnung - die »Perlons« können also mit ihrem Experiment zufrieden sein. Aber zum Glück wird aus dieser Erfahrung von Rollenumkehrung kein Fazit gezogen, kein Urteil gefällt. »Das kalte Buffet der Perlons« hat nichts Lehrhaftes, nichts Abgeschlossenes oder Triumphierendes. Der bleibende Eindruck ist der von weiblicher Selbstironie, von Witz, dem Spiel mit der Angst-Lust, von spröder Warmherzigkeit - mit einem Wort: von vagabundierender Vitalität, die funkenschlagend alltägliches Rollenverhalten belichtet.

Renke Korn möge mir verzeihen: die eigentlichen Autoren sind ohne Frage die »Perlons«. Mit der Montage von lnterviews und Liedern hat Korn dem Tonbandmaterial zwar eine Form gegeben, aber das Hörspiel lebt in jedem Augenblick von der Persönlichkeit und Darstellungsfähigkeit der Frauen, von Lach-Glucksern, Stimmschwankungen, sogar von Atemgeräuschen oder Dialektfärbungen, und besonders vom urkomischen Gesang.  Anscheinend aber war sich Korn der Durchschlagskraft dieser Frauen so bewußt, daß ihm sein Hörspiel zu einer wunderbaren Hommage an die »Perlons« geraten ist.”  Sybille Simon-Zülch

 

Als CD erschienen in der Reihe “Ohrenweide” der Pharos Medien - s. Im Handel

 

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