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Der gute Mensch

Der gute Mensch von Kreuzberg oder Ich will keine Hausbesitzer sein

Originalton-Hörstück

 

Funkkorrepondenz v. 26. 5. 83

“Die große Welle von Originaltonhörspielen ist längst vorbei und mit ihr auch der Überdruß, den sie, wie jede andere Mode auch, bereitete. Moden bekommen der Kunst nicht gut, schon deshalb nicht, weil sie den Weg für eine Inflation von Mittelmäßigkeit ebnen.  Dies allerdings der Form anzulasten, wäre verkehrt; dennoch scheint sie in letzter Zeit von Autoren und Rundfunkanstalten ad acta gelegt zu sein.  Zu Unrecht, wie es das Autorenpaar Korn/Teubel mit diesem Hörspiel beweist: das aktuelle und dennoch nicht banale Thema, die Akteure des Geschehens, d. h. die Menschen, die spontan und ungekünstelt ins Mikrophon sprechen sowie - last but not least - der Schnitt, genauer die Montage.

Im Mittelpunkt der Story steht ein Altbau in Berlin-Kreuzberg mit seinen Mietern und seinem  Besitzer. Der Stoff hat ja in dieser Stadt monatelang Schlagzeilen gemacht  und macht sie eigentlich noch immer.  Nur ist das Thema hier auf den Kopf gestellt: der Besitzer, Angehöriger der 68er Generation, lehnt es, entsprechend seinem politischen und sozialen Selbstverständnis, ab, die traditionelle Vermieterrolle zu spielen.  Er will nicht - wie es ja fast zur Normalität gehört - das große Geld verdienen, sondern ein neues Mieter-Vermieter-Verhältnis gründen.  Eine Hausgemeinschaft strebt er an, in der alles gemeinsam besprochen und in gemeinsamer Arbeit durchgeführt wird.

Wie und warum er zum Schluß zum altbewährten Rezept der Umwandlung des Miethauses in Eigentumswohnungen mit der dazugehörigen Beunruhigung und Bedrohung der Mieter griff, das wird im Hörspiel ausgeführt.  Die Antwort ist allerdings nicht eindimensional, sie weist weder einem Menschen noch irgendwelchen gesellschaftlichen Zwängen die ganze Schuld zu.  Aus der Montage von Ausschnitten von Erzählungen des Hausbesitzers und von acht Mietern, die die Chronologie der Geschichte rekonstruiert, ergibt sich ein breites Spektrum menschlicher Motivationen und Verhaltensweisen mit ihren durchschaubaren Verankerungen in einerseits verinnerlichten traditionellen und andererseits ideologisch bedingten Rollen.  Die Stimmen machen sich sehr bald erkennbar, sind vom Hörer leicht identifizierbar und entwickeln sich zu realen Figuren mit Charakterzügen.

Dasselbe Thema, genauestens recherchiert und dann ins Fiktive, d. h. in ein normales, von Schauspielern gespieltes Hörpiel umgesetzt, könnte wohl kaum eine solche Dichte und Überzeugungskraft erreichen.  Hoffentlich findet das Autorenpaar Korn/Teubei, oder jeder für sich allein, sowie andere Autoren viele Stoffe, die sich so gut wie dieser für ein Originaltonhörspiel eignen.  Es wäre doch wirklich schade, mit dem Abklingen der Mode des Originaltonhörspiels auch die Form für immer aus den Hörfunkprogrammen zu verbannen.”   Ruth Kotik 

 

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