Picknick
Westdeutsche Allgemeine Zeitung v. 2. 9. 69
“Die erste Hörspielproduktion unter freiem Himmel (statt im Studio) erarbeitete Heinz Wilhelm Schwarz mit Renke Korns zeitkritischem Stück »Picknick« für den WDR II. Doch die »echte« Naturkulisse - Vogelgeszwitscher und Blätterrauschen - erwies sich als reizvoller, aber entbehrlicher Geräuschteppich zu einem höchst aggressiven Schlag gegen noch immer bestehende Klassenschranken.
In der Idylle einer Waldlichtung picknickt Vertreterfamilie Krauss aus Dortmund, Verkörperung einer relativ erfolgreichen Durchschnittsfamilie in unserer erfolgreichen Wohlstandsgesellchaft. Nur mit Mühe halten Vater Krauss (Holger Hagen) und seine einfältig praktische Frau (Bruni Löbl) mit gesammelten Lebensweisheiten wie »Haste was, biste was« die aufsässigen Sprößlinge bei Laune. Das ohnehin trügerische Idyll zerbricht vollends, als sich mit »proletarischen Manieren« die Sawitzkis (Dirk Dautzenberg und Roswitha Dost) in derselben Lichtung mausig machen, obwohl sie auf der sozialen Leiter eine Sprosse tiefer stehen.
Der 1938 geborene Autor versucht hier keine Neuauflage des Naturalismus und seiner Klassenkampf-Thematik. Aber er trifft genau das Vokabular von Menschen, deren Bewußtsein ausschließlich durch Maßstäbe materieller Leistung geprägt ist. Das Etepetete der Krauss` entlarvt den Dünkel flotter Karrieremacher so konsequent wie Sawitzkis Dialektgeschwafel die Vorurteile von sozial Benachteiligten.
Renke Korns Hörspiel erinnert in den besten Passagen an die Volksstücke Ödön von Horvarths und hätte wie diese nicht einer atmophärischen, sondern einer distanzierten Einspielung bedurft.” HJ
Mehr
|